Eine anthropologische Perspektive auf die menschliche Schönheit
Charles Darwin staunte: "Der Pfau mit seiner langen Schleppe gleicht eher einem Dandy als einem Krieger." Dieser erfahrene Beobachter war von der Schönheit im Tierreich fasziniert, weil sie ein evolutionäres Rätsel darzustellen schien. Um Ornamente ohne Funktion zu produzieren, verschwendet der Körper Energie, die sonst zum Überleben genutzt werden könnte. Schönheit ist biologisch "teuer". Die Tatsache, dass sie in der Natur weit verbreitet ist, zeigt, dass sie tief in der Evolution der Tiere verwurzelt ist - vom Sehnerv, der sie erkennt, bis hin zu den Balzritualen, bei denen sie spektakulär zur Schau gestellt wird.
Und was ist mit uns Menschen? Auch wir reagieren äußerst empfindlich auf Schönheit. Betrachten Sie nur die energiegeladenen Metaphern, mit denen man sie oft beschreibt: "strahlend", "schillernd" oder neuerdings "heiß". Man sagt, dass ein Lächeln Räume 'erhellt'. In vielen Coming-of-Age-Ritualen wird - unabhängig von ihrer gesellschaftlichen Bedeutung - auch freudig der schöne Körper gefeiert. Die klassische Welt war sogar besorgt, dass die Begegnung mit einer schönen Person für Betrachter gefährlich werden könnte, wie die Philosophin Elaine Scarry betont. Plato beschreibt einen Mann, der nach dem Anblick eines Jünglings anfängt, sich zu drehen, zu schaudern, zu zittern und zu schwitzen. Das tierische Erbe der Schönheit in uns erklärt teilweise, warum der Anblick von Schönheit eine so starke affektive Reaktion hervorrufen kann.
Die menschliche Schönheit wird jedoch innerhalb der Kultur erlebt und ausgedrückt. Wir sind das symbolbildende Tier. Und der Körper ist unsere Leinwand. Die anthropologischen Aufzeichnungen zeigen, dass der Körper fast überall von uns bemalt, beschnitten und geformt wurde. Diese enorm erfinderischen Techniken haben nicht nur unsere Körper geformt, sondern uns auch gelehrt, wie wir Schönheit sehen. Die Azawagh-Araber in der Westsahara lernten, die Fleischröllchen von Frauen zu lieben, die mit Pap (Maisbrei) gemästet wurden. Die Europäer des achtzehnten Jahrhunderts waren vom Buckel des männlichen Kalbs begeistert. Die Japaner wurden zu Liebhabern eines anderswo vernachlässigten Körperteils: des Nackens. Durch unser Leben in einer Gruppe lernen wir den schönen Körper kennen.
Während die ungeheuer verführerischen Fotografien der globalen Modeindustrie unsere Erfahrung von Schönheit auf das Standbild fixiert haben, wird Schönheit oft als eine lebendige Qualität des Körpers in Bewegung erlebt. Verschiedene Gesellschaften haben eine breite Palette von Körpertechniken entwickelt: Bewegungskünste, Training und Performance. Der Körper, der sich aktiv bewegt, indem er geht, tanzt, liebt, spielt, wetteifert oder kämpft, ist nicht nur sozial, sondern oft auch schön. Schönheit ist keine statische Qualität, sondern offenbart sich in der Bewegung: in einem Lächeln, einer Kopfbewegung, in der Zurschaustellung von Anmut.
Wir mögen den Körper als eine Art Eigentum betrachten, etwas, das das Individuum besitzt. Die Anthropologie legt eine andere Perspektive nahe: Die Bestrebungen der Gruppe macht den Körper schön und gesund. Auf den Fidschi-Inseln wird das Gewicht und die Attraktivität des Körpers weniger als eine Sache der individuellen Disziplin, sondern mehr als Zeichen der kollektiven Pflege verstanden, wie die Anthropologin Anne Becker gezeigt hat. Schönheit und Gesundheit hängen von täglichen Mühen ab, die Zusammenarbeit, Liebe und Fürsorge erfordern.
Das Wissen über den Körper, das sich durch Fürsorge in kleinen Gruppen entwickelt, kann sogar einen gewissen Schutz gegen eine Geißel der heutigen Welt bieten: die Körperentfremdung, oder die Vorstellung, dass der eigene Körper belastend oder beschämend ist. In Belize zum Beispiel hat die Anthropologin Eileen Anderson-Fye gezeigt, dass die lokale Schönheitsnorm bei Frauen eine "Coca-Cola"- oder "Fanta"-Form bevorzugt. So lautet das lokale Idiom für eine kurvenreiche Figur. Dieses Körperideal bleibt bestehen, obwohl glamouröse Bilder von dünneren Körpern in den Medien vorherrschen. Aber nur wenige Frauen entwickeln hier extreme Ängste aufgrund ihrer Körperformen. Eine ausgeprägte Volkspsychologie - ausgedrückt in der Floskel: "Verlasse niemals dich selbst" - schützt Frauen vor zwanghafter Sorge um ihr Gewicht und Essstörungen. Dieses Ethos wird von Intimpartnern an jüngere Mädchen weitergegeben und konzentriert sich auf Selbstfürsorge und Selbstbestätigung.
Schönheit wird nicht nur durch soziale Beziehungen bestimmt, diese erschaffen auch neue.
Eng verwandt mit Charisma, scheint Attraktivität oft auch den Zugang zu anderen Netzwerken der Macht zu vereinfachen. In vielen Gesellschaften, von den feudalen japanischen 'Genji Monogatari' bis zu den modernen brasilianischen Telenovelas ermöglicht Schönheit eine Leidenschaft, die über etablierte Hierarchien von Rang und Status hinausgeht. Attraktivität kann Individuen über scheinbar strikte Grenzen zwischen menschlichen Gruppen hinweg verbinden, von Romeo und Julia bis hin zu Mildred und Richard Loving (zwei Amerikaner, die sich den drakonischen Gesetzen widersetzten, die die Ehe zwischen Rassen verboten).
In der natürlichen Welt erzeugen evolutionäre Prozesse ästhetische Veränderungen. Der Mensch hingegen setzt die Kräfte seines Willens und seiner Vorstellungskraft für das Streben nach Schönheit ein. Die Romantik vertrat die verlockende Idee, dass das eigene Leben in ein Kunstwerk verwandelt werden kann. Diese traumhafte Vorstellung wird in der zeitgenössischen Welt oft auf den Körper selbst angewandt. Gesundheit wird zu einem qualitativen Zustand des Wohlbefindens und nicht mehr nur zur bloßen Abwesenheit von Krankheit. Viele Körperpraktiken verfolgen das Ziel einer "Kunst der Gesundheit", die sowohl vom Patienten als auch vom Heiler im Laufe des Lebens geschaffen wird. Der menschliche Körper wird nicht nur ein Objekt der Veränderung, sondern gleichzeitig zum Sitz der Erfahrung und zum Vehikel seiner eigenen ästhetischen Transformation.
Alexander Edmonds ist ein Anthropologe, der die kulturellen Dimensionen des Körpers und der Schönheit erforscht hat. Dieses Essay ist ein Auszug aus seinen Publikationen 'Fleshly Beauty', 'Beauty and Health' und 'Body Image in Non-Western Societies'.
Bild/Illustration Credit: Aistė Stancikaitė
Aiste Stancikaite ist eine in Litauen geborene und in Berlin lebende Künstlerin. Ihre Arbeit verbindet oft präzise Bleistiftzeichnungen mit abstrakten Anwendungen digitaler und traditioneller Medien, um Bilder mit einem Fokus auf Details und Texturen zu schaffen.